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U10 - Berlins unvollendete U-Bahn-Linie

Zwischen 1953 und 1955 erstellte der Berliner Senat für die U-Bahn den "200- km-Plan". Wie der Name schon vermuten lässt, sollte das Streckennetz auf diese Größe anwachsen. Drei neue Linien waren neben den Streckenverlängerungen des Altnetzes geplant: Die Linien F, G und H. Während die Linie G (die heutige Linie U9) und H (heute U7) 1961-1963 zwischen Leopoldplatz und Spichernstraße bzw. Neukölln und Britz-Süd eröffnet wurden, verzögerte sich der Bau der Linie F, die später den Projektnamen Linie 10 oder auch U10 erhielt.

Von Lankwitz bis nach Weißensee sollte die U 10 führen, im südlichen Bereich die stark frequentierte Schloßstraße und Potsdamer Straße unterfahren und weiter über die Leipziger Straße den Alexanderplatz erreichen. Danach sahen die Planungen vor, die Strecke unter der Greifswalder Straße bis zu ihrem Endpunkt an der Rennbahnstraße in der Nähe des Straßenbahnhofes Weißensee zu führen. Hiermit wurden Planungen aus den zwanziger Jahren für die Linie F II (Weißensee - Alexanderplatz - Lützowplatz - Lankwitz) wieder aufgegriffen.

Streckenende Richtung Alexanderplatz

Während "vorsorglich" schon der U-Bahnhof Alexanderplatz beim Bau der damaligen Linie E(U5) für die künftige Linie nach Weißensee vorbereitet wurde, begann es erst Ende der 1960erJahre konkret zu werden mit dem Neubauprojekt, allerdings nur im Westteil der Stadt. In Ostberlin hatte man eine U-Bahnverlängerung nach Weißensee zunächst ins Auge gefasst, kam aber nach vorbereitenden Arbeiten am Alexanderplatz schnell davon ab. S-Bahn und Straßenbahn sollten zum Hauptverkehrsträger ausgebaut werden, für den Bau von unterirdischen Schnellbahnen fehlte das Geld.

Unter dem neueröffneten Bahnhof Kleistpark der U7 entstand eine weitere Station im Rohbau, ebenso wurde unter dem Innsbrucker Platz ein kompletter Bahnhof unter der Hauptstraße gebaut. Die größte Bauvorleistung wurde anlässlich der Streckenverlängerung der U9 nach Rathaus Steglitz getätigt. Am 29.01.1971 wurde die Linie 9 von Spichernstraße nach Walther-Schreiber-Platz verlängert. Gute drei Jahre später sollte das Rathaus Steglitz erreicht sein. Am Walther-Schreiber-Platz sollte die Linie 9 auf die Linie 10 treffen. Damit die Linien sich nicht gegenseitig behindern, wurde ein viergleisiger Linienbetrieb auf zwei Ebenen geplant und auch gebaut!

Geisterbahnhof SchloßstrasseGeisterbahnhof SchloßstrasseGeisterbahnhof SchloßstrasseGeisterbahnhof Schloßstrasse
Geisterbahnhof SchloßstrasseGeisterbahnhof SchloßstrasseGeisterbahnhof Schloßstrasse

Am Bahnhof Schloßstraße, der in zwei Ebenen ausgeführt ist, hätte man auf dem jeweiligen Bahnsteig in die andere Linie umsteigen können. Danach trennen sich die Linien wieder: Während die heutige U9 ihre Endstation unter der Schloßstraße vor dem Kreiselhochhaus erreichte, baute man einen weiteren Bahnhof am Rathaus Steglitz, den U-Bahnhof Rzo (Rathaus Steglitz oben), der sich in etwa unter der Kuhligshofstr. befindet. 1988 wurde sogar weiter an der Kehranlage gebaut, eine über 100 Meter lange "Steckenverlängerung" entstand. Eine Kuriosität am Rande: Seit der Verlängerung nach Süden fährt die U9 zwischen Walther-Schreiber-Platz und Rathaus Steglitz auf den Gleisen der U10 - aus betrieblichen Gründen. Die beschriebenen Bauabschnitte werden wohl zu den teuersten Bauvorleistungen dieser Stadt gehören, die Baulose wurden teilweise sogar mit kompletten Oberbau mit Gleisen und Schotter und Fernmeldeeinrichtungen ausgeführt!

Tunnel der U-Bahn U9Tunnel der U-Bahn U9Tunnel der U-Bahn U9Hier beginnt die U10
Wechsel der U9 auf die Strecke der U10Notausstieg und altes GleisBlick Richtung Walther-Schreiber-PlatzU10 Richtung Rathaus Steglitz
Tunnel der U9Geisterbahnhof Steglitz oben RzoGeisterbahnhof Steglitz oben RzoGeisterbahnhof Steglitz oben Rzo
Geisterbahnhof Steglitz oben RzoGeisterbahnhof Steglitz oben RzoGeisterbahnhof Steglitz oben RzoEnde der U10 vor der Albrechtstrasse
Geisterbahnhof Steglitz oben RzoTreppe im RohbauBehelfstreppeGleisende
Hinter der Wand: Der BahnhofStreckengleis der U10Bahnhof Friedrich-Wilhelm-PlatzIm Gleichrichterwerk

Der Todesstoß für das Projekt Linie 10 kam mit der Übernahme der S-Bahn durch die BVG in West-Berlin. Dadurch, dass die Trasse parallel zur bereits bestehenden S-Bahn-Linie 1 führte und der Wiederaufbau der S-Bahn Priorität genoss, wurde dieses Projekt erstmal "begraben". Obwohl für die geplante Linienführung weiterhin eine Flächenfreihaltung besteht, ist eine künftige Realisierung höchst unwahrscheinlich. Geblieben sind Vorboten und Hinweise auf diese nie errichtete Linie. Konserviert zeigen sich tote Bahnsteige, komplette Bahnhöfe, Treppenaufgänge mit Aussparungen für Fahrtreppen und Straßenunterführungen, die eigentlich U-Bahnzugänge werden sollten. Der nicht eröffnete Bahnhof Rathaus Steglitz erfüllte zumindest einen Zweck. Hier war ein Notfalllager des Berliner Senats, indem sich Feldbetten, Medikamente und Lebensmittel stapelten. Die Mauer ist weg, das Senatslager ebenso, nun wartet der Bahnhof wieder auf seine eigentliche Bestimmung: Auf die U-Bahn.

Dieser Artikel wurde der Mitarbeiterzeitung KUTSCHER der BT Berlin Transport GmbH (www.berlintransport.de) mit freundlicher Genehmigung entnommen.

Tags: Fassberg, U-Bahn