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Objekt URIAN - Abhörstation Brocken

Die bekannteste ostdeutsche "Abhörstation", wahrscheinlich die bekannteste in Deutschland überhaupt, stand auf Norddeutschlands höchstem Berg (1142m). Nachdem die US-Truppen den Brocken 1945 erobert hatten, wurde er am 28. April 1947 in die Verwaltung der Roten Armee übergeben. Seitdem waren hier sowjetische Truppen stationiert. Zuerst befassten diese sich nur mit Sicherungsaufgaben, ab 1955 war dann die Fernmeldeaufklärungsbrigade 82 auf der Kuppe präsent. 1949 wurde die Gaststätte noch einmal wiedereröffnet, doch mit dem Bau der Mauer im August 1961 war es dann mit jeglichem Tourismus vorbei. Der Brocken und selbst der kleine Ort Schierke wurden nun zum Sperrgebiet. Ab jetzt hatte die sowjetische Einheit eine Stärke von rund hundert Mann und war dem sowjetischen Geheimdienst GRU direkt unterstellt. Informationen über Militärbewegungen in ganz Westeuropa wurden vom hier aus gesammelt, aufgezeichnet und weitergeleitet.

Aber natürlich hatte auch die Hauptabteilung III des MfS, zuständig für die Funk- und Fernmelde-Aufklärung, hier ein "Ohr" in den Westen gerichtet. Abgehört wurden u.a. B- und C-Netz (Autotelefon), der Polizei-, BGS- und Militär-Funkverkehr in der BRD und Richtfunkstrecken nach Berlin, zwischen München und Hamburg/Hannover, zwischen Hamburg und Bremen und vieles mehr. Die installierten Antennen bestrichen einen Bereich von 25MHz bis hinauf in den Gigahertz-Bereich. Die Ergebnisse der teilweise automatischen Auswertung wurden per Kabel direkt nach Magdeburg und Berlin weitergeleitet. Zuletzt zwischen einundzwanzig und sechsundzwanzig Stasi-Mitarbeiter taten im Dreischicht-Betrieb in der Führungsstelle mit dem Decknamen "Urian" ihren Dienst und lauschten bis zu 400km in den "Westen" hinein.

Objekt URIAN - Abhörstation Brocken - Brockenhaus
Objekt URIAN - Abhörstation Brocken - RadomObjekt URIAN - Abhörstation Brocken - Radom
 
Aufgrund der eigenwilligen Form des 1986 errichteten Hauptgebäudes bekam dieses prompt einen ebensolchen Namen: Stasi-Moschee. Neben dieser von den Filmstudios in Babelsberg hergestellten Kuppel aus glasfaserverstärktem Polyesterharz gab es fünf weitere Radome und mehrere Masten, zum Teil mit feinster Technik aus dem "kapitalistischen Ausland" bestückt. Offenbar traute man der eigenen Technik nicht so recht über den Weg. Die Russen mussten dagegen mit mobiler Standard-Militärtechnik auskommen - sie fuhren mit den Funk-Fahrzeugen einfach in die Kuppeln hinein.

In den Jahren 1973 bis 1976 wurde zusätzlich ein 124 Meter hoher Antennenmast errichtet, der, wie die Moschee, hauptsächlich vom Ministerium für Staatssicherheit genutzt wurde. Daneben gab es aber auch zivile Nutzer - so sendete die Deutsche Post von hier aus ihre Fernseh- und Rundfunkprogramme, u.a. auch den Jugendradiosender "DT 64". 1993 wurde der Mast saniert und dient heute der Telekom als Antennenträger.

Objekt URIAN - Abhörstation Brocken - Dezember 1989

Am 3.Dezember 1989 erzwangen Demonstranten den Zugang zur bis dahin komplett gesperrten Kuppe. Die russischen Soldaten waren freundlich und versorgten die "Besucher" mit heißem Tee. Erst im Mai 1991 wurde mit dem Abrissder Mauer begonnen, die den gesamten Gipfelbereich umgab, 1992 fiel der letzte Wachturm des Geländes und erst Ende März 1994 räumte die Rote Armee ihre Gebäude.

Seit 1993 befindet sich im "Brockenhaus" eine Ausstellung zur Geschichte des Berges. Auch die militärische Vergangenheit wird beleuchtet, stellt aber nur einen Teil des sehr vielfältigen und interessanten Museums dar. Ein Besuch lohnt sich. Weitere Infos dazu auf der Website des Museums .

Überbleibsel um Brockenhaus

Über die Entwicklung des Brockens seit der Wende gibt es einen sehr empfehlenswerten Fotoband von Hansjörg Hörseljau: "Der Brocken - der belagerte Berg".

Alle genannten Informationen stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen wie verschiedenen Büchern, Zeitschriften, Zeitungsartikeln, Drucksachen des Bundestages und versch. Landtage, Museen, Archiven und dem Internet. Besonderer Dank geht an das Brockenmuseum und auch Herrn D. für seine Infos. Ein besonderer Dank für die freundliche Unterstüzung geht auch an den Verein Spurensuche Goslar e.V

Quellen (Auszug):
- Empfänglich für Geheimes, Erich Schmidt-Eenboom
- Der Brocken - Der belagerte Berg, Hansjörg Hörseljau
- West-Arbeit des MfS, Hubertus Knabe
- versch. Artikel der Goslarschen Zeitung
-"One of the Biggest Ears in the World, Ben Fischer
- Ausstellung im Brockenhaus
- Mediatus 07/1989
- Unterlagen des Harzclub e.V.
- Aussagen von Zeitzeugen
- eigene Recherchen

Tags: DDR, Grenze, Zonengrenze, ELOKA